Angedacht von Pastorin Angela Thies

Nachricht 12. Februar 2022

Abendmahl und Grünkohl

Von Pastorin Angela Thies, Steyerberg

Bei einem Besuch wird der Pastor eingeladen zum Mittagessen zu bleiben. Es gibt Grünkohl. Der große Topf steht in der Mitte auf dem Tisch. Alle Familienmitglieder inklusive Pastor bekommen einen Löffel und essen reihum damit von der deftigen Mahlzeit direkt aus dem Topf. Nach einigen Runden spürt der Pastor etwas Hartes zwischen den Zähnen und kaut verlegen darauf herum. Die Seniorbäuerin bemerkt das und sagt beherzt: „Herr Pastor, wenn Sie das Stück Schwarte erwischt haben, legen Sie es man ruhig wieder in den Topf, ich hatte es eben auch schon zwischen den Zähnen.“

Diese Anekdote hört sich an wie aus längst vergangenen Zeiten. Gemeinsam aus einer Schüssel essen, wo gibt es denn so etwas? Nicht vorstellbar, schon gar nicht in Coronazeiten. Selbst in unserer ländlichen Region werde ich als Pastorin wohl keine vergleichbare Einladung erhalten. Wir haben doch alle gerne unseren eigenen Teller vor uns, schon wegen der Hygiene.

Mittlerweile haben wir in der Kirche auch alle unseren eigenen kleinen Kelch, wenn wir das Abendmahl feiern. Aus einem Kelch trinken geht gerade gar nicht. Den Kelch weitergeben? Unvorstellbar! Ginge allein schon nicht, weil auch beim Abendmahl der Mindestabstand eingehalten werden muss.

Aber so ist es in dieser Zeit für viele Gemeinden eine gute Alternative, das Abendmahl zu feiern. Andere warten ab, bis wieder die gewohnte Form möglich ist. Aber was ist dann noch gewohnt? Eine Freundin sagte mir, sie könne sich auch nach Corona gar nicht mehr vorstellen, mit anderen aus einem Becher zu trinken.

An wieviel „lieber allein als gemeinsam“ haben wir uns im Laufe der zwei Jahre schon gewöhnt und was davon kann sich auch irgendwann mal wieder verändern? Der 80. Geburtstag oder die Hochzeit, die nun schon zwei Jahre verschoben wurden, wird nächstes Jahr vermutlich nicht mehr nachgeholt. Da ist aufgeschoben dann doch aufgehoben. Beerdigungskaffee findet, wenn überhaupt, nur im kleinen Kreis statt. Die Grünkohltouren fallen bereits zum dritten Mal aus. Bleibt das jetzt immer so? Gewöhnen wir uns daran? Ich hoffe nicht! Zugegeben, ich esse meinen Grünkohl auch gerne vom eigenen Teller, aber ich esse ihn eben auch gerne in Gesellschaft mit anderen gemeinsam. Eigentlich schmeckt er mir dann am besten. Ich kann mich auch an Einzelkelche beim Abendmahl gewöhnen, Hauptsache, wir feiern irgendwann wieder miteinander!

Ihre

Angela Thies, Pn.

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