Wochenendbetrachtung
Von Ingo Krause, Pastor in Warmsen
„Raum geben“ - unter diesem Motto steht die diesjährige Woche der Diakonie. Es nimmt Bezug zu einem Vers aus Psalm 31, in dem der Betende Gott lobt: „Du stellst meine Füße auf weiten Raum.“
Im Alten Testament wird erzählt, dass Abraham seinem Neffen Lot Raum gibt. Sie besitzen beide Schafherden, für deren Größe das Weideland nicht ertragreich genug ist. Um Streit zu vermeiden, überlässt Abraham seinem Neffen die Auswahl der Weideflächen. Und so entscheidet sich Lot für das augenscheinlich fruchtbare Jordanland, das grün und weit ist, hügelig und reich an Wasser und Weiden für das Vieh. Abraham bleibt im Süden Judäas zurück. Dort ist es trocken und heiß, so wie Wüstenland nun mal beschaffen ist. Auf den ersten Blick hat Abraham den Kürzeren gezogen. Aber in Folge erweist sich seine Entscheidung als segensreich. Denn Gott verspricht ihm Nachkommenschaft und Landbesitz. Und so kommt es dann auch.
Diese Geschichte von Abraham und Lot erzählt davon, dass wir unser Leben ganz sicher nicht dadurch bewahren, dass wir uns abschotten und unser Herz allein an die Sicherung unseres irdischen Besitzes hängen. Dem Anderen Raum geben – darauf liegt Segen.
„Du stellst meine Füße auf weiten Raum.“ - Mir stehen viele Personengruppen vor Augen, die gerne in dieses Lob einstimmen würden.
Ich denke zu aller erst an die Menschen, die in den diakonischen Beratungsstellen Hilfe suchen, weil ihre Energiekosten zu viel vom monatlichen Einkommen verschlingen. Die Mieten für energetisch sanierte Wohnungen können sie sich nicht leisten. Vor allem Familien mit mehreren Kindern, Alleinerziehende und Menschen mit körperlichen, psychischen und sozialen Einschränkungen leben häufig auf zu wenig Platz. Andere Menschen haben überhaupt keine Wohnung oder leben in Notunterkünften – die nicht selten unzureichend ausgestattet sind. Von Wohnungsnot betroffene Menschen sind in unserer Gesellschaft stark benachteiligt und werden dadurch ausgegrenzt.
In der Suppenküche in Stolzenau kommen jeden Mittwoch 20-25 Personen zusammen, um gemeinsam Mittag zu essen. Einige von ihnen genießen es, dass sie nicht selber kochen müssen, andere freuen sich, dass die Mahlzeit kostenlos ist. Aber am Wertvollsten ist die Erfahrung, dass ein Miteinander entsteht, in dem man erzählen kann: von den Sorgen und den Highlights im Leben, von der Freude wahr genommen zu werden und von der Wertschätzung, die man erfährt. So eröffnet sich Lebensraum.
Die Woche der Diakonie ermutigt mit ihrem Motto dazu, den Sorgen, Nöten und Fragen der Menschen Raum zu geben. Gottes Wort holt uns aus der Enge des Alltags heraus und erschließt neue Perspektiven. In der Trauer gibt es uns Trost, in der Angst schenkt es Mut und in der Verzweiflung frische Hoffnung.
„Du stellst meine Füße auf weiten Raum.“
Wer glauben kann, dass Gott tatsächlich unsere Füße täglich auf einen weiten Raum stellt wird lebensfroh. Er weiß, dass er nicht allein ist, sondern Gott an seiner Seite hat.
Ihr
Ingo Krause, P.