Warum mehr?
Von Pastor Jens Mahlmann, Nendorf und Raddestorf
Welchen Dank schulden wir doch dem, der die Mülltonne erfand! Und welches Glück liegt in der Kaputtbarkeit der Dinge! Stellen Sie sich nur einmal vor, so ein Smartphone hielte ewig, egal wie häufig es auf‘s Pflaster knallt. Oder Schuhe verschlissen nie. Noch in der Kiste ließe sich das Paar tragen, das Sie seit dem Ende Ihrer Wachstumsphase kleidete. Wie wäre es uns möglich, jenen Drang nach dem, was wir nicht haben, auszuleben, gingen die Dinge nicht irgendwann über den Jordan? Wie beruhigten wir unseren Geist mit seiner quälenden Fragerei angesichts unseres Lechzens nach dem Neuen, der Abwechslung, schüfe uns die Tonne nicht das Alte, Abgelegte aus den Augen? Denn dass wir die Grenze nicht achten mögen, die zwischen dem verläuft, was wir haben, und dem, was wir nicht haben, - dies gehört zu den gewissesten Erfahrungen und zugleich zu den verzwicktesten Rätseln menschlicher Existenz.Nehmen Sie König David. Bestens versorgt, der Gute. Bis er vom Dach seines Palastes einen Blick in die Hinterhöfe der Umgebung wirft und die Nachbarin erspäht. Dem Schutz der Privatsphäre fühlt er sich als König ebensowenig verpflichtet wie der Achtung fremder Ehen. Warum auch? Verfügt er doch über die Mittel, den Passus „bis der Tod euch scheidet“ gezielt zu beschleunigen. „Warum hast du das getan?“ fragt Gott durch seinen Propheten und stellt sich jenem Rätsel: „Du hast alles gehabt, und ist das zu wenig, will ich noch dies und das dazutun. Warum also dieser gierige Griff über die Grenze?“ Aber auf dieses „Warum?“ bleibt David die Antwort schuldig. Obwohl er die Schuld eingesteht, die in seinem Tun liegt. Sein Bekenntnis bessert die Lage. Aber sie wird nicht wirklich gut. Das Kaputte bleibt gegenwärtig in seinem Leben. Keine Mülltonnne schluckt es fort.
Fällt uns eine Antwort ein? Immerhin führt die Frage „Warum der unentwegte gierige Griff?“ ins Zentrum drängender Zeitprobleme. Grenzen zu achten und sich zu bescheiden brächte uns einer Lösung näher. Doch gelingt das, wenn wir uns über dieses „Warum?“ selbst nicht klar werden? Oder spekulieren wir insgeheim auf jene Mülltonne, die alles Kaputte hinaus schafft in die unendliche Weite des interstellaren Raumes und uns der Notwendigkeit einer Antwort enthebt?
Ihr Jens Mahlmann, P.