Gerecht
Von Pastor Dr. Diestelkamp Loccum und Wiedensahl
„Die Menschen sind schlecht, sie denken an sich, nur ich denk‘ an mich.“ Kennen Sie dieses kleine Liedchen? Meine Frau singt das gerne, wenn ich mich mal wieder über die Ungerechtigkeit der Welt aufrege. „Was regst Du dich so auf“, will sie mir damit sagen, „Du bist doch nicht besser.“ Doch, denke ich und der Protest in mir gegen diese Unterstellung macht mich nur wütender.
Schreit sie uns nicht jeden Tag an, die Ungerechtigkeit der Welt? Die Lebensmittel werden teurer und teurer – die gering Verdienenden müssen leiden. Die Mineralölsteuer wird gesenkt und die großen Konzerne geben den Nachlass kaum an die Verbraucher weiter. Putin zerbombt nicht nur die Ukraine, sondern weil er die Ausfuhr von Weizen blockiert, hungern die Menschen in Afrika.
Die Menschen sind schlecht! Davon konnte schon Jesus ein Lied singen. Es war einmal ein reicher Mann, erzählt er, der lebte in Saus und Braus, dem fehlte nichts und alles hatte er im Überfluss. Aber vor seiner Haustür, da saß ein armer Mann namens Lazarus, der hatte nichts zu kauen und war todkrank. Geflissentlich schaute der reiche Menn weg, wenn immer er das Haus verließ oder heimkam. Eines Tages starb Lazarus und kam in den Himmel. Bald darauf, erzählt Jesus, starb auch der Reiche und wo fand er sich wieder? Natürlich in der Hölle. Von fern sah er, wie Lazarus in den Armen von Vater Abraham im Himmel lag. Es ging ihm gut. Jetzt kommt die Unverschämtheit: Der Reiche ruft herüber und bittet Lazarus um Linderung seiner Höllenqualen. Keine Chance, sagt Abraham, Du hast Zeit deines Lebens nur an Dich selbst gedacht. – So ähnlich erzählt Jesus. Morgen wird die Geschichte in den meisten Gottesdiensten gelesen.
Die Menschen sind schlecht, sie denken an sich, nur ich denk an mich. Der Satz könnte vom Reichen aus der Geschichte von Jesus stammen. Der Satz hält mir den Spiegel vor: Wo schaue ich weg? Neulich habe ich mich ertappt. Da habe ich gedacht: Solange ich nicht den Pfennig dreimal umdrehen muss, braucht mich die Inflation nicht groß zu jucken. Solange der Krieg nicht zu uns kommt, brauche ich mir keine Sorgen zu machen. He??! Was ist denn das für ein egoistischer Blödsinn. Der reiche Mann lässt grüßen.
Joachim Diestelkamp, Pastor in Loccum und Wiedensahl