Der Kanal des Guten
Von Dr. Burkhard Meyer-Najda, Pastor in Uchte
Die ägyptische Sonne brannte heiß. Man hatte uns Studenten damals in eine Fellachensiedlung unweit des Nils gefahren. Ein Granitkoloss eines längst vergessenen Pharaos lag da herum und ließ sich von uns bereitwillig fotografieren. Etwas Abseits erregte aber etwas Anderes unsere Aufmerksamkeit. Ein kleiner, drahtiger Landarbeiter, mit Hacke in der Hand, sang vor sich hin und werkelte emsig. An einem mit Wasser gefüllten Betonbecken zog er mit der Hacke einen Schieber auf. Das Wasser schoss in einen Kanal. Mit dem fließenden Wasser hüpfte der Arbeiter den Kanal entlang, öffnete hier eine Schleuse, schloss dort eine Absperrung. Nach irgendeinem System gelang es ihm, das Wasser in unzählige kleine Kanäle zu leiten, die das kühle, lebensspendende Nass den Wurzeln der Feldpflanzen zuführten. So werden das die Vorfahren des fröhlichen Landmanns in Ägypten seit Jahrtausenden gemacht haben. Lang ist es her, dass Gott sein Volk aus Ägypten herausführte. Mose, der ägyptische Prinz mit Familienwurzeln im Volk der Hebräer, war der Führer durch die Wüste. Gott gab ihm etwas unendlich Wichtiges mit auf den Weg: Zehn Gebote als Regeln für ein gutes und sicheres Zusammenleben. Martin Luther hat geschrieben: »So haben wir nun die Zehn Gebote als den rechten Brunnen und Kanal, aus welchem alles quellen und in welchen alles gehen muss, was ein gutes Werk sein will.« Da muss ich an das ausgeklügelte Bewässerungssystem des ägyptischen Bauern denken. Gott lässt die Lebensregeln wie Wasser hervorquellen, leitet sie zu uns, wenn wir die Kanäle offen halten. Sie gelangen an die Wurzeln unseres Lebensfeldes. Wie verdorrt wären wir, wäre unsere Gesellschaft, wenn es nicht einen Minimalkonsens über die Zehn Gebote gäbe. Wie verkommt doch eine Gesellschaft, der dieses Wasser nicht mehr zugeleitet wird: »Du sollst nicht töten! Du sollst nicht falsch Zeugnis geben!«, und all die anderen der gnadenreichen Zehn. Jeder Leser möge selbst beurteilen, wie es darum heute in unserer Welt steht. Es ist notwendig, dass wir, die wir die Gebote Gottes für wichtig erachten, fröhlich wie der fleißige Ägypter den Kanal entlang hüpfen und das System wieder durchgängig machen. Dann kann aus den Geboten Gottes wieder Segen quellen. Das Land, unser Land, würde wieder etwas blühender und wirklich grün werden.
Ihr
Burkhard Meyer.Najda, P.